Systemdenken (systemisches Denken, Denken in Systemen)
Integration von Management, System, Organisation, Prozess und Qualität
Die häufigsten systemischen “Denkfehler”
Wir denken in Kausalketten von Ursache und
Wirkung.
Es fällt uns oft schwer, zu erkennen und zu
akzeptieren, dass in einem System vernetzter
Regelkreise die Ursache zugleich das Resultat
eines oder mehrerer Prozesse ist und Ursache und
Wirkung sich nicht immer zweifelsfrei zuordnen
lassen. Huhn oder Ei, was war zuerst da? In
Systemen dominieren zirkuläre Beziehungen.
Scheinbar unlösbare Konflikte lassen sich erst
dann lösen, wenn wir uns vom Ursache-Wirkungs-
Denken verabschieden. Wenn wir dies einmal
akzeptiert haben, fällt es uns leichter, gordische
Knoten zu lösen.
Wir analysieren den Zustand, nicht aber den
Prozess.
Der Zustand ist immer eine Momentaufnahme.
Diese sagt isoliert betrachtet nichts über
Entwicklungstendenzen des Gesamtsystems aus.
Starke Waldschäden infolge eines heißen und
trockenen Sommers deuten genau so wenig auf
einen Trend hin wie ein Quartalsbericht, der
einen Gewinnrückgang ausweist. Solange wir den
Prozess nicht verstanden haben, der zu einem
bestimmten Zustand geführt hat, macht es gar
keinen Sinn, den Zustand zu analysieren. Die
Frage lautet nicht: »Warum herrscht dieser
Zustand?«, sondern »Welcher zugrunde liegende
Prozess hat zu dem Zustand geführt und welche
Tendenz nimmt der Prozess?«
Wir fokussieren auf Details, betrachten nicht
aber das Ganze.
Der Blick aufs Detail komplexer Strukturen
verstellt uns oft den Weg für ein besseres
Verständnis der Gesamtheit und ihrer Funktionen.
Erst wenn wir zurücktreten und das Ganze
betrachten, gewinnen wir Erkenntnis über das
System.
Wir missachten die “Trägheitsgesetze”.
Marketingaktionen, die nicht unmittelbar zu
verstärkter Nachfrage führen, werden schnell als
wirkungslos eingestuft. Strategische Maßnahmen
des Managements, die sich nicht kurzfristig auf
die Ertragslage des Unternehmens auswirken,
gelten als Fehlschlag. In einer Zeit der
Beschleunigung sind wir es gewohnt, dass alles
“ruckzuck” geht. Auch systemische
Regelungsprozesse können schnell greifen, aber
die meisten zeigen eine mehr oder weniger
starke Trägheit.
Wir betrachten Entwicklung als einen Prozess
stetigen Wachstums.
In der westlichen Hemisphäre hat sich spätestens
seit dem Zeitalter der Aufklärung ein
grundsätzlicher Kulturoptimismus entwickelt (”Es
muss halt aufwärts gehen”). Umso schwerer trifft
uns der Schlag, wenn Krisen und Katastrophen
uns als Individuum, als Familie, Firma oder
Gesellschaft erschüttern. Sie gehören in unserer
Wahrnehmung nicht zum System oder stellen es
in Frage. Anderen Kulturen, so z.B. dem
Buddhismus ist diese Denkweise fremd. Hier
herrschen eher zirkuläre Sichtweisen vor, die
Geburt, Leben und Tod als eine wiederkehrende
Folge sehen. Dies liegt natürlichen Kreisläufen
viel näher. Diese Sicht hat jedoch einen Nachteil:
Sie ignoriert zu leicht die Möglichkeiten
evolutionärer Entwicklung. Fazit: Langfristiges
qualitatives Wachstum ist gefragt.
Wir glauben, die Evolution zeigt uns, dass der
stärkere gewinnt.
Das Gegenteil ist der Fall: Weder der stärkste
noch der intelligenteste gewinnt, sondern
langfristig der Anpassungsfähigste.
Das Ganze ist mehr als nur die Summe aller Teile. Im Gegensatz zum linearen Denken, welches
Ursache und Wirkung hinterfragt, will das Systemdenken das Gesamtsystem verstehen um auch für
komplexe Problemstellungen Lösungsansätze finden zu können. (Sherwood 2011, S. 36) Ziel ist nicht
nur alle Elemente des Systems zu kennen, sondern auch die Wechselbeziehung und -wirkung zwischen
diesen. Die Art und Weise der Betrachtung zu steuern und am Ende ein Gesamtbild des Systems zu
erhalten.
Systemdenken besagt im Grunde, dass man einzelne Probleme nicht isoliert betrachten kann, weil
sich Probleme normalerweise nicht an fachspezifische Grenzen halten. Ein System ist ein dynamischer
Prozess mit sich gegenseitig beeinflussenden internen und externen Größen (Variablen).
Systemdenken versucht unter Verwendung weniger,aber relavanter Schlüsselparameter, darunter auch
so genannte weiche Fakten, ein grobes, aber aussagekräftiges Modell zu erstellen. Da abgeschlossene
Systeme recht selten sind, ist eine geeignete Abgrenzung des betrachteten Systems (in einem
Systemmodell) vorzunehmen.
Beim systemischen Denken wir der Fokus nicht nur auf die einzelnen Elemente gelegt, sondern auch
auf die Beziehung zwischen diesen. Anstelle des gewohnten Blickwinkels, entsteht ein komplett
anderer. Die Wechselbeziehungen zwischen Elementen können nicht nur linear, sprich Ursache und
Wirkung, betrachtet werden. Vielmehr laufen diese meist über mehrere Glieder hinweg und haben
somit viele Bedingungen als Einflussgrößen auf das System.
Systemdenken - Denken in Prozessen, nicht in Zuständen
„Die Zustände in der Welt werden sich nicht durch Genveränderungen verbessern, sondern nur durch
mehr Hirn.“ Manfred Eigen
Systemdenken soll uns dabei unterstützen, die Methoden des Denkens bewusst zu werden und diese
gezielt zu steuern. Um dies zu erreichen ist es notwendig unsere Denkweise zu erfassen und bei der
Erstellung eines Modells darauf zu achten, trotz voreingenommener Denkweise, ganzheitlich zu
denken. Nur so kann ein möglichst vollständiges Modell unter Einbeziehung der externen
Einflussfaktoren gestaltet werden. Da ein System ein ständiger Prozess und daher aus sich heraus
dynamisch und in permanentem Wandel ist, müssen auch die Wechselwirkungen zwischen den
einzelnen Einflussfaktoren ständig beobachtet und gegebenenfalls neu bewertet werden. Wichtig ist
dabei ein wesentliches Augenmerkmal darauf zu werfen, wie die einzelnen Wechselwirkungen sich
hinsichtlich Stärke, Art und Richtung wirken. Kausalitäten verlieren teils ihre festgelegte Richtung,
weil Ursachen und Wirkungen verschmelzen und im Kreisprozess ihre Rollen vertauschen. (Vester,
2002, S.157-159) Somit ist eine vollständige Erfassung aller Einzelfaktoren eine Utopie und nur in
geschlossenen Systemen denkbar (Vester, 2002, S.54). Daher ist das Abgrenzen in einem sinnvollen
Maß unabdingbar und das Auseinandersetzen mit den Grundgedanken von "Problemlösung und
Entscheidungsfindung" zielführend.
Da jedes System unterschiedliche Subsysteme beinhaltet oder ein Teil eines übergeordneten Systems
ist, müssen diese Grenzen sorgfältig gesetzt werden. Je nachdem, ob das beschriebene System von
innen oder von außen steuerbar ist, wird es entweder als autark oder als abhängig (dependent)
bezeichnet (Vester, 2002, S.222). Geeignete Grenzen in einem System findet man dann, wenn von
einer übergeordneten Beobachtungsposition (Perspektive) nur noch wenige Vernetzungspfade zu
anderen, dichter vernetzten Strukturen, erkennbar sind. Veranschaulichung: die Verkehrssysteme
weisen unterschiedliche Stufen der Vernetzung auf: dichte, niederrangige Systeme einzelner Städte
oder auch Agglomerationen sind jeweils durch wenige, hochrangige Verkehrswege (Venetzungspfade)
miteinander verbunden. Man kann nun je nach Bedarf das System selbst begrenzen: eine einzelne
Gemeinde, eine Agglomeration( dicht besiedeltes Gebiet), ein Land oder ein Kontinent. Wichtig ist in
jedem Fall, dass jedes betrachtete System aber nicht abgeschlossen ist.
Anmerkung: Im angloamerikanischen Sprachraum wird der Begriff Systems thinking verwendet, ein
älterer und verwandter Begriff, quasi ein Vorläufer, ist System Dynamics.
Systemdenken/Vernetztes Denken
Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit sich die Begriffe "Systemdenken" und "vernetztes
Denken" inhaltlich konvergieren. Nach der Lektüre von "Die Kunst vernetzt zu denken" (Vester, 2002)
bleibt die Erkenntnis, dass diese zwei Begriffe wohl weitestgehend austauschbar sind.
Aufgaben und Systemdenken
Aufgaben sind immer mit einem System verbunden. Es spielen Einflussgrößen, Abhängigkeiten und
Verhaltensstrukturen eine Rolle. Beim Systemdenken wird zur Lösung der Aufgabe das System in Form
eines Modells abgebildet, welches die Zusammenhänge und Einflussgrößen deutlich sichtbar macht.
Dadurch kann die Aufgabe auf das Wesentliche reduziert gelöst werden. (Wilms 2000, S. 55-62)
Das Systemdenken soll die Zusammenhänge und Abhängigkeiten des Gesamtsystems verstehen und in
seinen Entscheidungen berücksichtigen, um so eine langfristig orientierte und folgenbewusste
Handlungsstrategie zu entwickeln. Dieser Satz wäre eigentlich als Definition für "Nachhaltigkeit" recht
brauchbar.
Statement (Systemdenken im Alltag)
Systemdenken ist zwar kein einfaches aber sicherlich ein für den Alltag taugliches Werkzeug, welches
zur Problemlösung herangezogen werden kann, denn es hilft uns, die Denkweise unseres Umfeldes
besser zu verstehen und diesem mit mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber zu treten. Ein
kontinuierlicher Perspektiven-Wechsel, neue Blickwinkel, der Blick auf das Ganze sowie die Suche
nach den richtigen Blickwinkeln um das System zu verstehen sowie ein Schritt zurück lässt einen
meist mehr sehen als zuvor. Alte Gewohnheiten ablegen, Denkmuster aufbrechen und sich diese
bewusst zu machen um mehr zu sehen als vorher. Es geht um das Gesamtsystem und nicht nur um die
Konzentration auf den eigenen Ausschnitt im System. Eine Verbesserung im eigenen System zieht
möglicherweise eine Verschlechterung des Gesamtsystems nach sich, was es zu verhindern gilt.
Wieder beginnen in größeren Zeitabschnitten zu denken. Zum Beispiel das Denken in Quartalen
(Quartalsabschlüsse, -ziele) bringt nur kurzfristige Erfolge, langfristig sind diese meist fraglich.
Systemdenken, respektive vernetztes Denken, ist heutzutage unerlässlich, da man keine Aufgabe und
kein Problem als von äußeren Einflüssen unabhängig betrachten kann. Somit müssen in der
Problemlösung jeweils auch die kolligativen Eigenschaften (Rückkopplungseffekte, Schwellenwerte,
Selbstregulation, Umkippeffekte und Regelkreise) beachtet werden. Eine Fixierung auf Teilbereiche,
eine getrennte Betrachtung von Systemteilen und der dadurch bedingten Ignorierung von
Rückkopplungen und Regelkreisen ist nutzlos (Vester, 2002, S.29-32, 39)
Auszug aus: https://de.wikiversity.org/wiki/Kurs:Organisationslehre/Systemdenken
koch.management 2016