Von Selbstorganisation spricht man, wenn ein System eine Ordnung ohne äußere Einwirkung
entwickelt. Selbstorganisierte Systeme weisen vier wesentliche Eigenschaften auf:
•
Selbstorganisierte Systeme sind aufgrund ihrer ihnen innewohnenden Komplexität nicht
umfassend beschreibbar und damit in ihrem Verhalten auch nicht eindeutig vorhersagbar.
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Unter Selbstreferenz ist zu verstehen, dass jedes Verhalten des Systems Auswirkungen auf das
System hat und damit weitere Verhaltensänderungen hervorrufen kann. Ein
selbstorganisierendes System unterscheidet nicht zwischen gestaltenden und ausführenden
Teilen, da potenziell alle Systembestandteile gestaltend mitwirken können.
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Mit dem Prinzip der Selbstreferenz geht die redundante Vorhaltung von gestaltenden
Systembestandteilen einher.
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Autonomie beschreibt, dass ein selbstorganisiertes System nur von sich selbst und nicht von
externen Systemen gesteuert wird. In der Realität ist eine vollständige Autonomie allerdings
nicht erreichbar, da äußere Einflüsse wie beispielsweise die Abhängigkeit von externen
Ressourcen unvermeidbar sind.
In den folgenden Abschnitten werden diverse Ausprägungen der Selbstorganisation besprochen.
Empowerment – Selbstorganisation im Unternehmen
Selbstorganisation ist keineswegs ein der Betriebswirtschaft vorbehaltenes Konzept. Vielmehr ist es
auch Untersuchungsgegenstand von Naturwissenschaften wie der Biologie oder der Physik (Probst
1987, S. 20f). Dieser Abschnitt diskutiert mit Empowerment eine Theorie, welche das Prinzip der
Selbstorganisation auf die Organisationsgestaltung in Unternehmen überträgt.
1. Begriffserklärung
Empowerment bezeichnet die Machtverschiebung weg von den Führungskräften hin zu den
Mitarbeitern und den damit einhergehenden vergrößerten Entscheidungsspielraum (Hammer unter
Verweis auf. Der Begriff Empowerment steht also für die Anwendung der Selbstorganisation im
Unternehmen.
In gewisser Weise wirkt Empowerment damit dem von Thompson beschriebenen Effekt der
„Dequalifizierung“ entgegen. Thompson vertritt die These, dass mit der Einführung von
neuen Technologien als Konsequenz des tayloristischen Prinzips der Trennung von planenden
und ausführenden Tätigkeiten eine starke Spezialisierung und Standardisierung beim
Arbeitsablauf eintritt, die die Kreativität lähmt. Ohne Kreativität und einem Überblick über den
Gesamtprozess und dessen Umfeld können mit ausführenden Tätigkeiten betraute Mitarbeiter „ihre“
Geschäftsprozesse nicht mitgestalten. Die mit der Planung betrauten Führungskräfte besitzen
hingegen nur wenig Erfahrung mit der operativen Umsetzung der von ihnen entworfenen
Geschäftsprozesse.
2. Dimensionen der Selbstorganisation
Kieser zufolge umfasst der Begriff „Selbstorganisation“ zwei wesentliche Aspekte: Selbstkoordination
und Selbststrukturierung.
Selbstkoordination bezeichnet eine geringere Regelungsdichte zur Arbeitsausführung. Die so
entstehenden Freiräume sind von den Mitarbeitern nutzbar, um – im Rahmen der Vorgaben –
selbstständig das bestmögliche Vorgehen bei der Aufgabenerfüllung zu
wählen; die Aufgabenerfüllung selbst wird nicht von außen geplant.
In der Selbststrukturierung wird Mitarbeitern Einfluss auf die Gestaltung
von Organisationsstrukturen und Prozessen eingeräumt. Dieser Einfluss
beschränkt sich allerdings eher auf die Partizipation bei der
Entscheidungsfindung – endgültige Entscheidungen werden nach wie vor
vom Management getroffen. Die vorgestellte kontinuierliche
Prozessverbesserung ist ein Beispiel für die Selbststrukturierung:
Mitarbeiter erstellen Vorschläge für Prozesse und Organisationsstrukturen
und nehmen so Einfluss auf Prozess- und Organisationsgestaltung. Die
endgültige Entscheidung bleibt jedoch nach wie vor dem Management
vorbehalten. Im Rahmen der Selbststrukturierung können
Organisationsstrukturen entwickelt werden, die nur wenig Spielraum bei
der Arbeitsausführung lassen.
Selbstkoordination und Selbststrukturierung sind daher voneinander
weitgehend unabhängige Konzepte.
3. Komplementarität von Selbst- und Fremdorganisation
Voraussetzung für Selbstkoordination ist die klassische Organisation
mithilfe formaler Regelungen durch spezialisierte Führungskräfte – man
spricht hierbei von Fremdorganisation. Schließlich müssen unter anderem
Prioritäten festgelegt, Freiräume geplant, IT-Systeme gestaltet und
Trainings durchgeführt werden.
Auch Selbststrukturierung setzt Fremdorganisation voraus. Wie das Beispiel
der kontinuierlichen Prozessverbesserung zeigt, ist der faktische
Entscheidungsspielraum dadurch stark begrenzt, dass signifikante
Änderungen meist vom Management bestätigt werden müssen. Ferner legt
das Management Rahmenbedingungen und Vorgaben für die
Selbststrukturierung fest. Zur besseren Abgrenzung von Selbst- und
Fremdorganisation werden die Eigenschaften dieser beiden Konzepte in
der Abbildung (links) einander gegenübergestellt.
Auszug aus: http://www.forflex.de/uploads/AB/forflex-2009-002.pdf
Selbstorganisation als Mittel zur Flexibilität
Transdisziplinarität
Integration von Management, System, Organisation, Prozess und Qualität
Die Hoffnung, in der Theorie der
Selbstorganisation eine die verschiedenen
Wissenschaften übergreifende Meta- oder Leit-
Theorie zu finden, ist unter anderem im
gegenwärtig zu beobachtenden Transfer zentraler
Begriffe der Selbstorganisation wie „Chaos“,
„Komplexität“ oder „Emergenz“ in sozial- und
geisteswissenschaftlichen Publikationen
abzulesen. Der u.g. Artikel geht der Frage nach,
inwiefern die Verwendung von zentralen Begriffen
aus der Selbstorganisation, in der
Naturwissenschaft: Physik, der Sozial- und
Verhaltenswissenschaft: Psychologie und der
Geisteswissenschaft: Geschichte, auf denselben
theoretischen Kern zurückgreifen. Die
Nützlichkeit und die Grenzen des Begriffstransfers
werden anhand dieser Disziplinen beispielhaft
erörtert.
Selbstorganisation: Aspekte eines Begriffs- und
Methodentransfers
Alexandra M. Freund, Marc-Thorsten Hütt und
Miloš Vec
http://data.rg.mpg.de/systeme_freund_huett_ve
c.pdf
Selbstorganisation braucht
Führung
Selbstorganisation braucht Führung. Führung in der
Selbstorganisation braucht Begeisterung. Für
Management und Führung ist es eine zentrale
Aufgabe, Anstöße zu geben, Bewegung zu erzeugen,
die zu eigendynamischen Prozessen von
Selbstorganisation führen. Hohe Motivation, im
Idealfall echte Begeisterung, gewährleistet optimal,
dass erwünschte Ziele und Ergebnisse auch erreicht
werden können. Kein Team wird Weltmeister, wenn
es sich nicht an seinen Aufgaben berauscht, in einen
Flow kommt und begeistert alle seine Ressourcen
nutzt und einsetzt.
Fazit aus: Boris Gloger; Dieter Rösner:
Selbstorganisation braucht Führung. Die einfachen
Geheimnisse agilen Managements. Hanser 2014.
Selbstorganisation braucht
Führung
Abgrenzung Selbstorganisation und Fremdorganisation
koch.management 2016